Nicole Bunge

Nicole - oder Nici -  wurde 1992 in Ludwigsburg geboren. Sie hat Schauspiel und Theaterpädagogik in Stuttgart studiert und lebt heute in Berlin-Johannisthal. Hier fühlt sie sich sehr wohl und hat auch familiäre Wurzeln. Seit dem Frühjahr 2019 spielt Nici für das Theater aus dem Koffer die Liedfee und auch unsere Toni. Heute habe ich sie zu einer Vorstellung begleitet und danach zum Interview getroffen.

Wie bist du zur Liedfee gekommen?

Als ich nach Berlin kam, habe ich zuerst in einer Kita als Theaterpädagogin gearbeitet. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall etwas mit Kindern machen wollte. In dieser Kita war theaterpädagogisches Arbeiten aber einfach  gar nicht möglich. Ich hatte jeden Tag andere Kinder und konnte überhaupt nicht gruppendynamisch arbeiten, geschweige denn für ein Stück Rollen zuteilen. Deshalb habe ich angefangen, mich umzusehen und dabei auch die Ausschreibung vom Theater aus dem Koffer entdeckt. Da war für mich gleich klar: "Ok, das ist voll mein Ding, das will ich auf jeden Fall machen." Ich kann schauspielern, bin mit Kinder in Aktion, und wir erarbeiten uns etwas gemeinsam. Und genau darum geht es ja auch bei der Theaterpädagogik: die Kinder da abholen, wo sie sind, und gemeinsam einen Mehrwert schaffen oder in den Kindern etwas auslösen. Es passte einfach perfekt.

Hast du Theaterpädagogik studiert?

Genau. Ich hab Schauspiel und Theaterpädagogik im Dopplestudium gemacht. Die Akademie in Stuttgart hat beides nebeneinander angeboten. Das Studium war sehr fordernd, von morgens bis gefühlt morgens in der Uni und dann noch Proben. Und dann hatte ich das Glück, dass ich gefragt wurde, ob ich in der Theater Kompagnie Stuttgart mitspielen möchte. Die wurde von der Schulleitung vor Jahren gegründet, und da wurden vielversprechende Studierende neben erfahrenen Schauspielern engagiert. Das war für mich sehr besonders und lehrreich. Da konnte ich erste Erfahrungen auf der großen Bühne sammeln, durfte in Stücken von Shakespeare spielen und mit auf Tournee gehen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Was hast du nach dem Studium gemacht?

Mein erster Job nach dem Studium war beim Landeskriminalamt in Baden-Württemberg. Da hatte mich eine Kommilitonin aus dem Studium reingebracht, und das mache ich dieses Jahr zum vierten Mal, inzwischen als leitende Theaterpädagogin.

Was macht man denn beim LKA als Theaterpädagogin?

Das ist immer im Sommer eine Art Ferienlager für die Kinder der LKA-Mitarbeiter. Wir machen dann halt Ferienprogramm und erarbeiten Theaterprojekte mit Kindern zwischen 6 und 14 Jahren. Jede Woche gibt es ein anderes Thema, und das Ergebnis ist immer die Präsentation eines Stückes für die Eltern. Das ist sehr spannend und man bekommt auch ein bisschen einen Einblick in die Polizeiarbeit.

Hast du noch andere Projekte?

Ich spiele auch noch am Berliner Kriminaltheater in Friedrichshain, da habe ich jetzt schon in diversen Stücken mitgewirkt. Krimikomödien mag ich gerne. Ich mag diesen schwarzen, englischen Humor. Das passt gut zu mir.

Ab April werde ich auch im Berliner Dungeon sein,  das ist auch voll mein Ding. Ich mag Horror und Halloween. Das denkt immer niemand bei mir, aber ich war früher auch mal so richtig Gothic, ganz in schwarz und mit Corsagen und langen Röcken. Ich höre auch Metall, das glaubt auch immer keiner. Slipknot ist meine Lieblingsband *lacht*

Und dann unterrichte ich seit Mai 2021 auch noch an einer Schauspielschule in Kreuzberg. Da mache ich Kurse zu Gesellschaftstanz und Gruppendynamik. Wie funktioniert eine Gruppe, wie kann ich sie aus der Reserve locken.

Wow, das ist viel und vielfältig. Wen spielst du beim Theater aus dem Koffer?

Ich wurde für die Liedfee gecastet, habe dann aber erstmal mit den Toni-Stücken für die Allerkleinsten gestartet. Die hatten im Frühjahr 2019 Premiere, und es ist schön zu sehen, wie gut das funktioniert. Wenn ich davon erzähle, wundern sich viele Leute darüber, dass man schon für so kleine Menschen spielt und fragen mich: „Was machst du denn da mit denen“. Aber die Minis entdecken da wirklich ganz viel: Töne, Geräusche. Die singen mit und gehen z. T. richtig ab. Auch das wir zusammen etwas tun, uns also einer Aufgabe stellen, das holt wirklich schon die Kleinsten ab.

Und bei den großen Stücken, finde ich, ist es ähnlich. Auch da entdecken die Kinder viele Dinge und probieren die zusammen mit uns Schauspielern aus. Das hat dann eben auch wieder viel Theaterpädagogisches, weil wir die Kinder da abholen, wo sie stehen und auch oft zwischenmenschliche Aspekte aufarbeiten. Deswegen passt es für mich beim Theater aus dem Koffer einfach perfekt. Die Verbindung ist genau meins.

Mein erstes Stück als Liedfee war „Die Liedfee und der Drehschwungtanz“. Das spielen wir ja leider nicht so oft, obwohl es ein sehr schönes Stück ist. Dann spiele ich auch noch „Die Liedfee und das Liedwettsingen“.

Was begeistert dich an der Rolle der Liedfee?

Ich liebe meine Liedfee. Ich glaube, ich bin selber nie so richtig erwachsen geworden. Das ist sicher eine gute Voraussetzung. Ich finde sie so toll, eben weil sie diese kindliche Seite hat und gerne laut und ungestüm ist. Sie ist eine Entdeckerin und zieht mit Meister Ton ihr Ding durch. Die sind ein tolles Team und würden sich gegenseitig nie im Stich lassen.

Unterscheidet sich das Theaterspiel beim Theater aus dem Koffer von deinen anderen Engagements?

Ja, das würde ich schon sagen. Beim Berliner Kriminal Theater spiele ich z. B. oft mit mehr als einer Personen auf der Bühne, im Stück „De zwölf Geschworenen“ sind wir eben zwölf Schauspieler, und wir sind die ganze Zeit durchgängig auf der Bühne, das ist auch eine Herausforderung. Es gibt natürlich auch Szenen zu zweit, trotzdem ist das ganz anders als beim Theater auf dem Koffer, weil es von der Bühne herunter diesen Abstand zum Publikum gibt. Als Liedfee und Meister Ton, und auch bei der Rolle der Toni, haben wir diesen Abstand ja bewusst gar nicht. Wir brechen da quasi die vierte Wand, wie man im Bühnentheater sagt. Und das ist ja irgendwie auch wieder ein theaterpädagogischer Aspekt, den ich sehr interessant finde.

Was nehmen die Kinder mit aus einer Vorstellung?

Auf jeden Fall die Lieder und natürlich auch das Gefühl, dass sie an dem Entstehungsprozess beteiligt waren und uns geholfen haben, ein Problem zu lösen. Ich denke, sie lernen auch diese Begriffe wie Reim und Rhythmus dem zuzuordnen, was sie täglich ganz unbewusst tun, wenn sie klatschen und stampfen. Es ist also schon auch musikalische Früherziehung, aber gleichzeitig auch eine wertvolle gruppendynamische Erfahrung.

Interview am 28.02.2022: Sandra Völker